Pferdehaltung und -fütterung sind eng miteinander verknüpft. Für Beratungsanfragen bekomme ich häufig äußerst detaillierte Berichte über Gesundheitszustand, Lebenslauf des Pferdes, über sein Verhalten in bestimmten Situationen.
Gemeinsames Entspannen - was gibt es SchöneresEs werden 10 verschiedene Futtermittel aufs Gramm genau verabreicht, es werden Trainingspläne aufgestellt und penibel eingehalten, Ausrüstungsgegenstände mit Argusaugen überwacht, ein moderner Stall mit ausgeklügelten Fütterungstechniken wird ausgewählt - alles zum Wohle des Pferdes wird getan. Auffällig ist aber immer wieder: Obwohl sich fast jeder Pferdemensch doch so viele Gedanken um das Wohlbefinden seines Pferdes macht, kennt kaum ein Pferdehalter den eigentlich bevorzugten Tagesablauf seines vierbeinigen Freundes. Viele Pferdehalter wissen nicht, ob ihr Pferd sich überhaupt zum Schlafen hinlegt. Und kaum jemand weiß, wann oder wie oft und wie lange das Pferd liegt. Was tut das Pferd überhaupt den ganzen Tag und die ganze Nacht? Was ist sein bevorzugter "Job" in der Herde? Wer sind seine Freunde? Hat es bevorzugte Fresszeiten, zu denen es mehr frisst als sonst? Frisst es lieber alleine oder Nase an Nase mit besten Freunden? Was ist seine allerliebste Leckerei? Wo lässt es sich am liebsten kraulen? Mag es lieber große Herden oder eher kleine Pferdegruppen? Also im Grunde: WER ist dieses Wesen, wenn man es einmal ganz unabhängig von uns Menschen betrachtet?
Ich finde es unglaublich wichtig, dass man sein Pferd auch in seiner "Freizeit" wirklich gut kennt. Nicht nur, dass es einfach die Beziehung stärkt - es erleichtert auch ganz praktisch so vieles in der Fütterung und Pferdehaltung und dient letztendlich der Gesunderhaltung unseres Pferdes. Ich habe da sicher leicht reden: Unsere Pferde leben seit vielen Jahren direkt bei uns am Haus, ich kann zu jeder Tages- und Nachtzeit schauen, was sie gerade so tun. Und ich verbringe gerne Zeit bei den Pferden - einfach nur dabei sein, entspannen, atmen, fühlen...
Warum ist es wichtig, den Tagesablauf unseres Pferdes zu kennen?
Freunde sind wichtig!Unsere Pferde haben ihren ganz eigenen Lebensrhythmus. Manche Dinge sind individuell von Pferd zu Pferd verschieden, andere Dinge gelten für alle Pferde, manche Dinge bleiben immer gleich und andere verändern sich. Aber so oder so: Für alle Lebewesen (also auch für unsere Pferde) gibt es viele verschiedene regelmäßige Abläufe, die teilweise vom eigenen Körper (z.B. durch Hormone) und teilweise von außen (Temperatur, Licht usw) gesteuert werden - es ergibt sich daraus der Biorhythmus.
Diese vielen Einflüsse und Abläufe greifen wie Zahnräder exakt ineinander und sinnvollerweise folgen Lebewesen ihrer "inneren Uhr". Die Bedeutung der Forschung, die sich mit dem Biorhythmus beschäftigt (Chronobiologie), nimmt zu, denn immer mehr Menschen erkranken durch die Missachtung des Biorhythmus. So ging sogar der Nobelpreis in Physiologie und Medizin 2017 an drei Wissenschaftler, die sich mit der weiteren Erforschung des Biorhythmus beschäftigten.
Schauen wir uns nun eine gängige Art (besonders für Pferde / Ponys, die leicht zunehmen) der Raufutterversorgung an:
In vielen Ställen werden Automaten zur Heufütterung genutzt, um eine gleichmäßige Heuversorgung rund um die Uhr zu gewährleisten ohne dass die Pferde zu dick werden. Eigentlich eine gute Idee! Aber was passiert dabei leider sehr häufig? Wir reduzieren den Tagesablauf unserer Pferde auf "Fresspausen dürfen nicht länger als 4 Stunden sein". Und weil wir es ja gut meinen, gehen wir auf Nummer sicher und planen lieber nur 2 Stunden Fresspause ein. Nun können wir ganz beruhigt sein: Wir haben genau berechnet, wieviel Heu das Pony bekommen darf. Und das bekommt es gleichmäßig auf den ganzen Tag verteilt, die Pausen sind sogar nur jeweils 2 Stunden lang. Das ist doch perfekt - oder etwa nicht?!
Auch ich war irgendwann an einem Punkt angekommen, an dem ich über Heu-Automaten nachdachte. Denn meine Pferde waren zu dick und ich hatte doch schon so viel probiert: Von anfangs "Heu satt" kam ich auf engmaschige Heunetze und bald begann ich auch zu rationieren, abzuwiegen, das Heu auf zwischen 3 und 5 Mahlzeiten zu verteilen. Doch je mehr ich rationierte, umso schneller fraßen die Pferde und sie wurden immer unzufriedener. Das zusätzliche Risiko dabei ist: Sind die Mahlzeiten zu klein (also die Zeitspanne zu kurz), dann wird das Pferd immer schneller kauen und immer weniger gut einspeicheln.
Manchmal ist einfach auch einfach besser!
Rosenhecken im Pferdeauslauf bieten willkommene Abwechslung!Zum genau passenden Zeitpunkt hörte ich dann Conny Röhm (www.futterberatung-roehm.de) in einem Vortrag darüber sprechen, wie wichtig es sei, die Fresszyklen der Pferde zu berücksichtigen. Sie plädierte in dem Vortrag dafür, lieber 2 große Heumahlzeiten zu füttern und für die entstehenden Heupausen Stroh und Zweige und Äste anzubieten, als sich und die Pferde mit so vielen kleinen Mahlzeiten zu stressen.
Wir alle haben gelernt, dass im Magen des Pferdes ständig Magensäure gebildet wird und darum zu lange Fresspausen vermieden werden müssen. Aber Verdauungsprozesse beinhalten ja weit mehr als nur Freisetzung von Magensäure. Und so passiert auch im Pferdeorganismus allerhand, wenn das Pferd beginnt zu fressen. Auch das unterliegt gewissen Rhythmen, nach denen sich das Pferd in der Natur richten würde. Ein Fresszyklus dauert ca. anderthalb Stunden. Individuell je nach Pferd auch länger oder kürzer, aber erst nach dieser Zeit wird dann üblicherweise eine Fresspause eingelegt. Man darf also nicht nur auf die Pausen schauen, auch die ausreichende Dauer der Mahlzeit ist enorm wichtig für Zufriedenheit und Gesunderhaltung unserer Pferde.
Und wie wird es oft in der Pferdehaltung gehandhabt?
Maible auf Wachposten - auch das gehört zum Pferdeleben!Kommen wir nun also wieder zur oben erwähnte Automatenfütterung zurück: Sehr, sehr häufig wird mir berichtet von Gesamtfresszeiten zwischen 240 und 300 Minuten, also 4 bis 5 Stunden. Und in vielen dieser Ställe gibt es eben NUR diese streng rationierten Heumahlzeiten (obwohl die Leitlinie zur Pferdehaltung klar mindestens 12 Stunden Raufutterangebot fordert!) und keinerlei weiteres Raufutterangebot (Stroh, Zweige, Äste).
Auch lese ich immer wieder, dass Automaten eingestellt werden auf den Rhythmus 30 Minuten Fressen, 2 Stunden Pause - immer gleichmäßig rund um die Uhr. Für das Pferd bleibt keinerlei Entscheidungsfreiheit: Es kann nicht entscheiden wo es fressen möchte, noch wann es fressen möchte, noch wie lange es fressen möchte. Es wird nicht geschaut, ob die Heumahlzeit eigentlich gerade in eine Ruhephase fällt und es wird auch nicht überlegt, ob Pferde zu bestimmten Tageszeiten mehr fressen als zu anderen Zeiten.
Ich möchte hier nun sicher nicht gegen die Fütterung aus Automaten als solches schreiben! Das kann sehr praktisch und sinnvoll sein. Aber vor der Progammierung wäre es ratsam, sich zunächst den Lebensrhythmus der betroffenen Pferde anzuschauen. Man nimmt den Pferden enorm viel Stress, wenn man die Automatenzeiten dem Biorhythmus der Pferde etwas angleicht. So kann man die Haupt-Ruhezeiten (eine dieser Zeiten liegt z.B. bei den meisten Pferden in der Mittagszeit) einplanen und vor dieser Zeit eine längere Fresszeit anbieten und dafür die nächste Pause dann ausdehnen. Auch wird das Pferd bei der Arbeit wohl deutlich zufriedener und motivierter sein, wenn es weiß, dass es durch das Training nicht gerade eine der kostbaren Mahlzeiten verpasst. Es sind manchmal nur Kleinigkeiten, die man leicht berücksichtigen und verändern kann, WENN man einfach genauer hinschaut. Und bei Pferden, die wirklich nur so wenig Heu fressen dürfen, dass man auf so wenige Stunden Fresszeit kommt, MUSS die Ration mit Stroh, Zweigen und Ästen ergänzt werden.
Dürfen Pferde nie pro Intervall lange genug fressen und ist auch noch die Gesamtfresszeit viel zu kurz, leiden die Pferde unter enormem Stress. Vielfach beeinträchtigt es auch das Herdenleben, das Warten auf das nächste Heu nimmt viel zu großen Raum ein. Die Pferde werden immer unzufriedener, oft reagieren einige Pferde auf diesen Stress mit Aggressivität, unter der wieder andere Herdenmitglieder dann zu leiden haben. So entsteht unnötige Unruhe und neben den unzureichenden Fresszeiten kommt bei einigen Pferden noch Schlafmangel dazu, weil sie nicht genug zur Ruhe kommen. Genauso kann man nicht selten unter solchen Umständen aber auch eher apathische, scheinbar ruhig wartende Pferde beobachten. Auch hier muss man hinschauen: Wirklich ruhig wartend? Oder doch eher resigniert?
Wie kann es auch aussehen?
Auch genügend Außenreize und Beobachtungsmöglichkeiten sind wichtig!Bei meinen eigenen Pferden beobachte ich: Morgens fressen sie ziemlich exakt ihre anderthalb Stunden relativ zügig und durchgängig, dann machen sei eine kurze Pause. Nach dieser Pause fressen sie zwar weiter, aber tun auch viele andere Dinge nebenher: Sie stehen abwechselnd Wache am Zaun (bei uns gibt es Wölfe), sie gehen mal hierhin und mal dorthin, fressen zwar auch wieder für ca. anderthalb Stunden, aber mit diversen kleinen Unterbrechungen. Dann kommt die große Mittagspause: Ein Pferd nach dem anderen döst, legt sich hin, man krault sich, entspannt und schläft. Das kann (je nach Wetter) locker bis zu 4 Stunden dauern. Danach werden die letzten Reste aus den Netzen gemümmelt, es wird an Stroh, Zweigen und Ästen geknabbert, es wird noch mal gedöst umhergeschaut oder gespielt und dann kommt schon die Abendmahlzeit.
Selbst wenn ich einmal später füttere als gewohnt, bleiben sie entspannt und zufrieden und zeigen keinen Futterneid. Sie legen selbstständig Pausen ein und fressen bei 2 großen Mahlzeiten pro Tag nun letztendlich viel weniger Heu als zu der Zeit, als ich streng rationiert 5 kleine Portionen / Tag zugeteilt habe. Sie können sich ihren Tagesablauf so einteilen, wie es ihrem Biorhythmus entspricht. Sie haben die Möglichkeit, lange genug zu fressen und ich sehe sie meist mehrmals täglich auch im Liegen schlafen. Wir sind also endlich an einem Punkt angekommen, an dem ich sagen kann: Ja, so passt es! Sie sind zufrieden und nehmen trotzdem ab (lesen Sie dazu auch gerne hier: Mein Pferd ist dick)
Gerade bei chronischen gesundheitlichen Problemen ist also immer eine gute Idee, sich das Leben des Pferdes genau anzuschauen. Grundbedürfnisse wie ausreichend Schlaf (dazu auch schauen, ob die Liegeflächen ausreichen und für das betroffene Pferd geeignet sind), ausreichend lange, ruhige Fresszeiten, sauberes Wasser und die Sicherheit in der Herde müssen erfüllt werden. Ist das nicht der Fall, braucht man sich über Kotwasser & Co nicht wundern!
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